So viel Aufregung gab es wohl noch nie um eine Filiale des schwedischen Einrichtungshauses: Der gestern eröffnete Ikea Wien Westbahnhof war ebenso heiß erwartet wie umstritten. In zentraler Lage – aber ohne PKW-Stellplätze – heißt das 140 Millionen Euro teure „umweltschonende Vorzeigeprojekt“, wie Ikea es selbst sieht, ab sofort Kunden willkommen.
Zehn Jahre Projektzeit und zwei Jahre Bauzeit wurden investiert. Das Ergebnis ist ein sieben Etagen (und ein Hostel) umfassender Komplex, der auf Fußgänger, Öffi-Nutzer und Radfahrer ausgerichtet ist: Kleinere Produkte, die mit den Öffis oder dem Fahrrad transportierbar sind, können vor Ort gekauft werden – über 3.000 Artikel sind zum Mitnehmen lagernd. Alle größeren Produkte werden mittels Lieferung mit Elektrofahrzeugen oder per Click & Collect zum Abholen bestellt.
160 Bäume und Sträucher begrünen die Fassade sowie die (öffentlich und ohne Konsumzwang zugängliche) Dachterrasse. Auf dem Gebäudedach wurden Photovoltaikanlagen über 800 m² installiert, zudem ist Platz für Vogelnester sowie Bienenstöcke vorgesehen.
Aufreger: Nachhaltigkeit & Verkehr
Bei Ikea selbst zeigt man sich stolz über das innovative, nachhaltige Konzept. Und auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig ist angetan: „Mit der Eröffnung des IKEA Einrichtungshauses am Westbahnhof zeigt Wien vor, wie eine Betriebsansiedelung, die mehr als 350 Arbeitsplätze schafft, im Rahmen einer modernen Stadtentwicklung funktionieren kann. Im Zuge der Errichtung des autofreien Kaufhauses setzt Wien umfassende Attraktivierungs- und Verkehrsberuhigungsmaßnahmen. Das gesamte Grätzl wird aufgewertet und gemäß dem Motto ‚raus aus dem Asphalt‘ begrünt und gekühlt.“
Diese Begeisterung teilen aber längst nicht alle: Anrainer fürchten Parkplatznot und mehr Verkehr. Und Umweltschutz- und Menschenrechtsinitiativen riefen schon im Vorfeld zum Protest auf. Illegale Abholzungen, Landraub und Menschrechtsverletzungen werden dem schwedischen Konzern vorgeworden. Die Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz, die rumänische NGO Agent Green, Fridays for Future und Aktivisten von Extinction Rebellion informierten anlässlich der Eröffnung über die Hintergründe dieser Kritik.
„Die groteske Nachhaltigkeits-Inszenierung der neuen IKEA-Filiale in Wien ist das perfekte Beispiel dafür, wie multinationale Konzerne mittels Greenwashing versuchen, die Verbrechen in ihren Lieferketten zu verschleiern“, so die Sprecherin der Bürgerinitiative, Veronika Bohrn Mena. „Seit Jahren wird dokumentiert, wie IKEA illegal gerodetes Holz verwendet, etwa aus der Ukraine oder aus Sibirien. Und auch aus Rumänien, wie der neue Bericht von Agent Green zeigt.“ Dieser zeige, „wie IKEA die letzten europäischen Urwälder für billige Möbel vernichtet“.