So innovativ kann Politik sein

In Berlin wurden gestern – vor 550 Gästen – die Innovation in Politics Awards 2019 vergeben.


Begehrte Trophäe: Der Innovation in Politics Award (alle Fotos © The Innovation in Politics Institute / Sebastian Philipp)

Politik muss (sich) verändern. Diesem Gedanken folgt das 2016 in Wien gegründete Innovation in Politics Institute – und kürt jährlich die besten politischen Initiativen in Europa. Parteizugehörigkeit, politische Ebene und Region spielen dabei keine Rolle. Worum es geht, ist, Projekte zu finden, die demokratische Politik stärken bzw. weiterentwickeln und die als Vorbild für andere dienen können.

Und das mir Erfolg, wie Edward Strasser, Mitbegründer und CEO des Instituts, berichtet: „Schon mehrere der ausgezeichneten Projekte werden mittlerweile in anderen Ländern umgesetzt.“

CEO Edward Strasser: vorbildhafte politische Arbeit soll Nachahmung finden 

Innovativ sind aber nicht nur die Projekte selbst, sondern auch das Prozedere: Denn die Sieger (aus diesmal mehr als 400 Nominierten) werden von einer Jury aus über 1.000 europäischen Bürgern ausgewählt.

Präsidentschafts-Doppel als Schirmherren

In diesem Jahr fand die Award-Gala erstmals in Berlin statt. Die Schirmherrschaft übernahmen die Bundespräsidenten Deutschlands und Österreichs – Frank-Walter Steinmeier und Alexander Van der Bellen – gemeinsam.

Unter den rund 550 Gala-Teilnehmern, die sich im Tipi am Kanzleramt versammelten, befanden sich u. a. Patricia Kahane (Gründerin des Innovation in Politics Institutes), der Berliner Bürgermeister Michael Müller, Sozialunternehmerin und Autorin Hilary Cottam, Alina Tatarenko (Vertreterin der Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejčinović Burić), der Wiener Stadtrat Jürgen Czernohorszky, LH-Stv. von Niederösterreich Franz Schnabl sowie viele weitere Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft.

Von Gemeindekühlschränken und Arbeitslosen als Fremdenführern

Unter den 80 Finalisten in acht Kategorien waren auch fünf österreichische Projekte – von denen es allerdings keines auf die Bühne schaffte. Die Träger des Innovation in Politics Awards kommen in diesem Jahr aus Bulgarien, Deutschland (2), Finnland, Großbritannien, Italien, Litauen und den Niederlanden. 

Das sind die Sieger in acht Kategorien

Kategorie DEMOKRATIE: Bürger-Gemeinderat in Groningen

Wieke Paulusma, Niederlande
Der offene Bürger-Gemeinderat in Groningen bildet Vertrauen zwischen Bürger/innen und Politiker/innen, indem gemeinsam diskutiert und entschieden wird. Die Bürger werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, um Vielfalt sicherzustellen. Eine Auswertung der Universität Groningen ergab gestiegenes Vertrauen auf allen Seiten, aktiveres Wahlverhalten und eine gestärkte Gemeinschaft.

Kategorie JOBS: FabriQ – das Gründerzentrum für gesellschaftliche Innovation

Cristina Tajani, Italien
FabriQ ist das erste Gründerzentrum für gesellschaftliche Innovation der Stadt Mailand. Es bietet wirtschaftliche Anreize und Unterstützung für Unternehmen, die Projekte mit hoher gesellschaftlicher Wirkung entwickeln. Start-ups werden ermutigt, neue Lösungen für Herausforderungen unserer Zeit zu finden und diese wirtschaftlich umzusetzen. Seit 2013 hat FabriQ mehr als 60 junge Unternehmen bei Projekten mit sozialer Nachhaltigkeit unterstützt.

Kategorie ÖKOLOGIE: Ressourcen-Management in Ii: Die lokale Lösung für eine globale Herausforderung

Leena Vuotovesi, Finnland
Ii in Finnland soll die erste Stadt der Welt ohne CO2-Emissionen werden. Öffentliche Gebäude verwenden erneuerbare Energie, die der lokale Bioenergie-Produzent liefert. Kinder messen den Verbrauch von Wasser, Wärme und Strom in Schulen. Neue, schnelle Buslinien reduzieren die Nutzung privater Fahrzeuge. In Workshops wird gelehrt, Geräte und Kleidung zu reparieren. Heute produziert li zehnmal mehr Energie als es verbraucht – und hat zusätzlich die Steuern gesenkt.

Kategorie MENSCHENRECHTE: Sichere Häfen

Mike Schubert, Deutschland
Die Aktion „Sichere Häfen” ist ein Projekt der NGO Seebrücke, um die Seerettung und Schaffung sicherer Fluchtrouten nach Europa zu entkriminalisieren. Es etabliert lokale Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge. 70 deutsche Gemeinden, Städte und Bezirke haben sich bereits als „Sichere Häfen“ deklariert. Beim Seebrücke Kongress in Potsdam haben 12 Städte eine Allianz gebildet, um mit der deutschen Bundesregierung lokale Aufnahmeprogramme zu entwickeln. 

Kategorie WOHLSTAND: GovTech Lab

Agila Barzdienė und Virginijus Sinkevičius, Litauen
GovTech – der Einsatz neuer Technologien für Aufgaben der öffentlichen Verwaltung – bietet Chancen für Start-ups und kleine Unternehmen, Innovation in der Verwaltung zu unterstützen. GovTech Lab hat bereits zehn öffentliche Institutionen unterstützt, administrative Problemstellungen mit neuen Technologien zu lösen. 

Kategorie GEMEINSCHAFT: Der Gemeinde-Kühlschrank in Frome

Anna Francis, Großbritannien
2016 installierte der Gemeinderat in Frome, unterstützt von Edventure Frome CIC, den ersten Gemeinde-Kühlschrank Großbritanniens – um die Verschwendung von Nahrungsmitteln zu reduzieren und die Gemeinschaft zu fördern. Freiwillige befüllen und reinigen den Kühlschrank täglich in Zusammenarbeit mit lokalen Geschäften. Jährlich werden so 90.000 Artikel weniger verschwendet und Treibhausgase um 140 Tonnen reduziert. 2018 wurde auch eine Gemeinde-Speisekammer eröffnet, für Waren, die keine Kühlung brauchen. Aufgrund dieses Erfolges wurden landesweit weitere 60 Gemeinde-Kühlschränke errichtet.

Kategorie LEBENSQUALITÄT: Smart City Bad Hersfeld

Thomas Fehling, Deutschland
Das Projekt „Smart City Bad Hersfeld“ verbindet öffentliche Verwaltung, Einwohner und Unternehmen, um Leben und Arbeiten zu verbessern. Ein digitales Parkleitsystem optimiert die Nutzung von Flächen und das rasche Finden eines Parkplatzes. Städtische Ladestationen für Elektroautos fördern umweltfreundlichen Verkehr. „Smartboxen“ an Hauptstraßen sammeln Daten zu Verkehrslärm und Abfallstoffen, für ein wirksames Umweltmanagement usw. 
Kategorie ZIVILISATION: Barrierefreier Tourismus hilft allen
Georgi Kabzimalski, Bulgarien
In der bulgarischen Stadt Rila können Touristen mit Behinderungen persönliche Fremdenführer als Helfer buchen. Für dieses Projekt wurden zunächst 30 Arbeitslose als Gästeführer ausgebildet. Das Projekt öffnet so auch arbeitslosen und inaktiven Menschen Zugang zum Arbeitsmarkt und gesellschaftlicher Integration, denn Tourismus bietet gute Möglichkeiten für medizinisch-soziale und psychologische Rehabilitation.