Beinahe-Blackout als Nagelprobe für die Netzsicherheit

Stromschwankungen im Südosten Europas haben auch in Österreich für Störungen im Stromnetz gesorgt – ist die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen mit schuld daran?


Windpark
Windkraft zählt zu den Erneuerbaren Energiequellen (Foto: ©NanoStockk)

Vergangene Woche ist das europäische Stromnetz dem Vernehmen nach „nur knapp am Blackout“ vorbei geschrammt. Nun wird vielerorts Kritik laut: Am Ausbau der erneuerbaren Energie aus Wind und Photovoltaik, vor allem aber am gleichzeitigen Rückbau der traditionellen Kraftwerke, die auf Gas, Kohle und Kernspaltung als Energiequellen setzen. Das sei leichtsinnig und unüberlegt, angesichts des prognostizierten weiterhin steigenden Energiebedarfs, etwa für Elektroautos und Digitalisierung. Europa steuere damit direkt in eine Zukunft, in der die Gefahr von Blackouts zunehmen wird.

Aber stimmt das so? Bedeutet der Umstieg auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen tatsächlich solch ein großes Risiko? Und wie ist das Stromnetz in Österreich und Europa eigentlich abgesichert?

Herausforderung Erneuerbare Energiequellen

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, ist der Umbau der europäischen Stromversorgung hin zu einer langfristig CO2-freien Versorgung, die ohne fossile Energieträger auskommt, unabdingbar. Doch während konventionelle Kraftwerke (wie Kohle, Gas- und Atomkraftwerke) punktgenau jene Strommenge liefern können, die von Verbrauchern gerade nachgefragt wird, sind viele Erneuerbare (vor allem Wind und Photovoltaik, aber auch Wasserkraft) von äußeren Einflüssen abhängig: Windstärke, Sonneneinstrahlung und -intensität, Wasserstand von Flüssen etc. Sie verursachen Schwankungen der Strommengen, die ins Netz eingespeist werden können. Dabei kommen sowohl Zeiten der Überproduktion zustande wie auch solche der Unterversorgung.

Netzfrequenz als Qualitätsmerkmal

Diese Schwankungen werden üblicherweise nahezu in Echtzeit ausgeglichen, eine der wesentlichen Aufgaben der nationalen Stromnetz- bzw. Übertragungsnetzbetreiber – in Österreich ist das die APG – in täglichen Abstimmungen mit Übertragungsnetzbetreibern der Nachbarländer innerhalb sogenannter „Regional Security Center“. Indikator für das Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch ist die Netzfrequenz, welche immer annähernd 50 Hertz betragen muss. Abweichungen werden mittels Abruf von Regelleistung ausgeglichen. Dabei kommt neben den Speicher – bzw. Pumpspeicherkraftwerken im Westen Österreichs auch Gaskraftwerken eine wesentliche Rolle zu.
Die aktuelle Netzfrequenz kann online beobachtet werden.

Strom „auf Vorrat“ speichern

Bei entsprechender Wetterlage sind die ins Netz drängenden Strommengen aus Erneuerbaren zum Teil riesig und übersteigen den aktuellen Verbrauch. Eine Möglichkeit diesen Überschuss zu speichern besteht darin, den Strom z. B. zu einem Pumpspeicherkraftwerk weiterzuleiten, wo er in Form von potenzieller Energie bzw. Lageenergie gespeichert werden kann. Die meisten Windparkanlagen sind jedoch im Osten Österreichs während die Speicherkraftwerke im Westen liegen.

„Flaschenhals“ Stromnetz

Der wesentliche Flaschenhals bei der Verteilung des Stroms und beim Ausgleich der Stromschwankungen ist die verfügbare Kapazität im Hochspannungs-Stromnetz. Denn dieses ist zum Teil bereits Jahrzehnte alt und noch nicht ausreichend dafür geeignet, so große bzw. volatile Strommengen über sehr große Distanzen zu transportieren. Darüber hinaus dauern die Genehmigungsverfahren bei Netzinfrastrukturprojekten extrem lange (z. B. Salzburgleitung rd. 10 Jahre). Dies gilt nicht nur für Österreich sondern auch für andere europäischen Länder. Der österreichische Netzentwicklungsplan sieht vor, wie es über die kommenden zehn Jahre erneuert und ausgebaut werden soll: 3,1 Milliarden Euro werden in den Ausbau des österreichischen Übertragungsnetzes investiert.

Energiewende und Versorgungssicherheit

Österreich ist, was den Eigengrad der Stromerzeugung aus nachhaltigen Quellen betrifft, vergleichsweise gut aufgestellt. Mehr als 80 Prozent des Energiebedarfs werden hierzulande aus nachhaltigem Strom gedeckt, mehr als 60 Prozent allein aus Wasserkraft, hpts. mittels Laufkraftwerken entlang der großen Flüsse. (vgl. Stromkennzeichnungsbericht 2020).

Aus heutiger Sicht stehen die Energiewende bzw. die Erneuerbaren Energieträger in keinem Zusammenhang mit den Stromschwankungen am 8. Jänner, wie APG meldet. Ein rasches und koordiniertes Eingreifen der europäischen Übertragungsnetzbetreiber konnte innerhalb einer Stunde den Frequenzabfall beheben und den Regelbetrieb wiederherstellen.

Der Bedarf an Strom wird weiter steigen, ebenso der Anteil dezentraler Stromproduktion mittels Wind und Photovoltaik. Das bringt große Herausforderungen für das gesamte Stromsystem. Der Ausbau der Infrastruktur muss damit Schritt halten. 2030 sollen 100 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien kommen. Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, dann braucht es zusätzliche Netz-, Speicher- und Kraftwerkskapazitäten, um die volatile Stromzukunft sicher zu managen.

Wissenswerte rund um das Stromnetz und die Energiezukunft auf www.apg.at