Pflege in Österreich – ein Pflegefall?

Der Pflegesektor ächzt an allen Ecken und Enden – das vernimmt man aus Medien und politischen Statements zur Thematik. Doch wie äußert sich die Pflegekrise in der Praxis aus Sicht des Personals?


Auf 1000 Einwohner kommen in Österreich im Schnitt 5,8 Pflegekräfte ©Wirtschaftdirekt

Laut Ärztekammer Wien werden knapp vier Milliarden Euro jährlich für die Alterspflege ausgegeben, davon 2,4 Milliarden Euro aus Mitteln der öffentlichen Hand. Bis zum Jahr 2030 werden sich die Ausgaben mehr als verdreifachen, konkret um 322 Prozent. Im Jahr 2030 werden 630.000 Österreicher mehr als 80 Jahre alt sein. Ein Großteil davon wird ganz bzw. teilpflegebedürftig oder zumindest in seiner Mobilität massiv eingeschränkt, sein.

Immer mehr Bedarf – zu wenig Personal

Der sogenannte Pflegenotstand hängt schon seit geraumer Zeit wie ein Damoklesschwert über Österreich. Neben den steigenden Kosten ist der kontinuierlich steigende Personalmangel ein weiteres Symptom des in der Krise befindlichen Pflegesektors.

In Finnland kommen auf 1.000 Einwohner im Durchschnitt 21,7 Pflegekräfte, in Österreich 5,8. Entsprechend hoch ist die körperliche und psychische Belastung in den Pflegeberufen. Eine AK-Studie, die 27.000 Mitarbeiter/innen in Spitälern, Heimen und mobilen Betreuungsdiensten befragte, kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: Fast 40 Prozent der im Gesundheits- und Pflegebereich Arbeitenden ist burnoutgefährdet.

Betroffene am Wort

Wir haben uns bei Pflegerinnen und Pflegern* umgehört, wie sie ihren Arbeitsalltag wahrnehmen und welche Lösungswege sie sehen.

„Es herrscht extremer Personalmangel in unserer Station. Ich soll ständig einspringen. Aus Loyalität und Kollegialität tue ich das auch – und für das Wohl der Patienten. Dies wird als Selbstverständlichkeit angenommen. Niemand fragt, wie es uns dabei geht und welchen Strapazen wir dabei ausgesetzt sind.“

(Waltraud K.)

„Die hohen physischen und psychischen Belastungen, die ständige personelle Unterbesetzung, Patienten, die immer pflegeintensiver werden und Angehörige, die kein Verständnis für unsere Überforderung aufbringen können, lassen den Pflegeberuf immer unattraktiver werden. Kein Wunder, dass es bei den Bedingungen an Nachwuchskräften mangelt und die Personalsituation weiter verschärft wird.“

(Elnaz Ö.)

„Am meisten stört mich, dass meine Leidenschaft und Liebe für den Beruf und – aufgrund des permanenten Stresses – die Geduld schwindet. Darunter leiden am Ende auch die Patienten.“

(Helmut W.)

„Gerade in einem belastenden Beruf wie der Pflege ist ein gesundheitsfördernder Arbeitsplatz unabdingbar. Auf den meisten Stationen gibt es nicht genügend Räume für das Personal, die es einem ermöglichen, seinen geistigen und körperlichen Tank aufzufüllen. Es müssen auch finanzielle Anreize geschaffen werden, die den Pflegeberuf wieder attraktiver machen.“

(Slavica V.)

*Namen von der Redaktion geändert.