Pandemie als Brandbeschleuniger psychischer Erkankungen

Die Corona Pandemie hat sich weltweit negativ auf die psychische Verfassung vieler Menschen ausgewirkt, so auch in Österreich. Die mentale Gesundheit vor allem von Kindern und Jugendlichen leidet bis heute unter den Beschränkungen von Covid-19. Jetzt zeigt auch eine Studie des Gesundheitsministeriums wie besorgniserregend die momentane Lage ist.


Die Häufung von globalen Problemen, die Hoffnungen auf eine gute Zukunft dämpfen, machen Kindern und Jugendlichen zu schaffen. © Pexels

Bei der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Österreich ist seit Jahren ein kontinuierlicher Abwärtstrend erkennbar. Seit Beginn von Covid-19 hat sich die Lage drastisch verschlechtert. Der Grund: Die damit in Zusammenhang stehenden Einschränkungen haben diese negative Bewegung nochmals enorm beschleunigt. Fakt ist, es handelt sich dabei nicht nur um eine gesellschaftliche Wahrnehmung. Auch die Ergebnisse der Health Behaviour in School-aged Children Study (HBSC-Studie) 2022 belegen diese Feststellung. Alle vier Jahre erhebt die Studie Daten zu Gesundheit und Gesundheitsverhalten von Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 11 und 17 Jahren. Dabei ist eindeutig: Die pandemischen Belastungen hatten gravierende Folgen auf die Psyche junger Menschen. Im Vergleich zu der letzten HBSC-Studie aus dem Jahr 2018, welche vor der Pandemie durchgeführt wurde, sind deutliche Differenzen erkennbar.

„Heranwachsen ist nicht einfach – diese Erfahrung hat jede und jeder von uns selbst gemacht. Kinder und Jugendliche stehen vor den Herausforderungen des Erwachsenwerdens und sind konfrontiert mit großen Fragen: Wer bin ich? Wie gestalte ich meine Zukunft? Welchen Lebensweg möchte ich einschlagen? Die Entwicklungen der vergangenen Jahre machen diese Phase nicht einfacher: Pandemie, Klimawandel, Krieg und Wirtschaftskrise: Die Häufung von globalen Problemen, die Hoffnungen auf eine gute Zukunft dämpfen, machen Kindern und Jugendlichen zu schaffen.“

Johannes Rauch, Gesundheitsminister

Schülerinnen als Leidtragende

Besonders auffallend sind die verschiedenen Angaben der Geschlechter – und das zu Ungunsten der Mädchen. Besonders große Unterschiede sind hierbei in Bezug auf Ängste zu erkennen: Jede dritte Schülerin hat mehrmals pro Woche bis täglich Angstgefühle. Im Vergleich dazu gab nur knapp jeder zehnte Schüler an, so häufig unter dieser Symptomatik zu leiden. Diese geschlechterspezifischen Unterschiede können dabei auf diverse Ursachen zurückgeführt werden: Spezielle geschlechtsbezogene Entwicklungsaufgaben in der Pubertät, verschiedene physiologische und psychische Beeinträchtigungen sowie Abweichungen in der Wahrnehmung und Bewertung von Belastungen werden in der Studie als mögliche Auslöser genannt.

Rollenbilder als Problem

Ebenso könnten gesellschaftliche Rollenbilder die geschlechterspezifische Ungleichheit stark beeinflusst haben. Raffaela Schumacher, Frauensprecherin der Roten Falken Österreich, zum Thema Rollenbilder: “Die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft Geschlechterrollen konstruieren, beeinflusst nachhaltig die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen durch Verhaltensmuster und Erwartungen an ein bestimmtes Geschlecht.“ Eigenschaften wie Sensibilität, Mitgefühl sowie die Fähigkeit über Gefühle sprechen zu können, werden eher weiblichen Personen zugeschrieben. Das traditionelle Männlichkeitsbild ist noch immer tief in der Gesellschaft verankert. Dadurch fällt es männlichen Personen oft schwerer nach Hilfe zu fragen oder gar über seelische Befindlichkeiten zu sprechen. Damit wird klar: Die Verschiedenheiten in Bezug auf Zukunftssorgen, Ängste und Einsamkeit könnten auch mit Geschlechterrollen im Zusammenhang stehen.

Bewusstseinsförderung und Maßnahmenplanung

Zahlreiche Studien beweisen die Vermutungen: Die derzeitige Lage junger Menschen in Österreich ist ernst. Neben der HBSC-Studie unterstreicht ebenso eine UNICEF-Analyse wie prekär die Sachlage ist. Hier zu Lande leiden knapp ein Fünftel der 10 bis 19-jährigen unter psychischen Problemen. Das sind knapp 160.000 Jugendliche in Österreich. Fast jeder vierte Mensch zeigt im Laufe seines jungen Lebens zumindest Symptome einer psychischen Erkrankung.

Somit sind mentale Erkrankungen wie Angststörungen, ADHS, Verhaltensauffälligkeiten und Essstörungen weiter verbreitet als im öffentlichen Bewusstsein verankert ist. Die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit betont dazu: „Die Enttabuisierung psychischer Beeinträchtigungen und Erkrankungen muss nach wie vor ein Ziel bleiben. Viele Kinder und Jugendliche werden derzeit nicht diagnostiziert und leiden unerkannt, unbemerkt und untherapiert.“

Das Thema Mental Health ist deshalb so wichtig, weil es uns alle betrifft aber wir immer noch nicht genug darüber sprechen. Es kann uns einfach alle treffen, genau wie wir einen Schnupfen bekommen oder uns den Fuß brechen. Zu Kindern und Jugendlichen selbst, möchte ich sagen: Wenn du manchmal das Gefühl hast, dass du dir zu viele Sorgen machst oder ständig traurig bist oder oft Angst hast, dann möchte ich dir einfach sagen: Du selbst, du bist mehr als in Ordnung und du bist auch nicht kaputt oder musst repariert werden. Wenn du aber merkst, du kommst da alleine nicht heraus – dann hol dir Unterstützung! Es gibt Menschen, die wollen dir helfen und können dir helfen!

Ali Mahlodji, UNICEF Österreich Ehrenbeauftragter

Nicht nur die Förderung des Bewusstseins der Gesellschaft ist essenziell, sondern es benötigt auch konkrete Maßnahmen und Lösungen. Dazu hat UNICEF Österreich einige Forderungen und Lösungsansätze zusammengestellt:

  • Die Privatwirtschaft und die Öffentlichkeit müssen dazu beitragen, die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Betreuenden zu fördern, gefährdete Kinder zu schützen und besonders verletzliche Kinder zu unterstützen.
  • Es braucht dringend mehr Investitionen in die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in allen Bereichen der Gesellschaft, nicht nur im Gesundheitswesen. Ziel sollte es sein, einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz zum Schutz, zur Förderung und zur Unterstützung zu entwickeln; insbesondere braucht es niederschwellige Angebote und kostenfreien Zugang zu psychosozialer Unterstützung für alle.
  • Evidenzbasierte, übergreifende Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung sollten ausgeweitet werden. Dazu gehören Elternprogramme, die eine flexible, liebevolle Unterstützung und Betreuung der Kinder und die psychische Gesundheit von Eltern und Erziehenden fördern. Schulen sollten die psychische Gesundheit durch qualitative Hilfsangebote und ein positives Lernumfeld unterstützen.
  • Das Schweigen über psychische Erkrankungen muss gebrochen, Stigmata bekämpft und Aufklärung im Bereich der psychischen Gesundheit gefördert werden. Die Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen müssen ernst genommen werden.