ÖsterreicherInnen, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgewachsen sind, sind sie sicher noch ein Begriff: Die Arbeiterzeitung (SPÖ), die Volkszeitung (ÖVP) oder die Volksstimme (KPÖ) – alles sogenannte „Parteizeitungen“, die den Medienmarkt nachhaltig prägten und verändern sollten. Gedacht als Sprachrohr der jeweiligen politischen Bewegungen, war es ihre Aufgabe, die öffentliche Meinung den Interessen ihrer Verleger entsprechend zu drehen und Mehrheiten zu generieren.
Die „Gatekeeper-Funktion“ – also der wichtige redaktionelle Filter, der Meldungen in einen möglichst objektiven Kontext stellt, fiel folglich weg. Damit standen Parteimedien seit jeher in einem andauernden Widerspruch zu den „klassischen“ Medienprodukten, die sich – manche mehr, manche weniger – der Unabhängigkeit und dem kritischen Journalismus in alle politischen Richtungen hin verschrieben.
Nichtsdestotrotz galten Parteimedien bis in die 1990er-Jahre als mächtig und einflussreich. Danach rutschten sie weitestgehend in die Bedeutungslosigkeit ab – bis ihnen mit dem Aufkommen der sozialen Medien eine Wiederauferstehung gelang. Aber brauchen wir wirklich noch Parteimedien? Und sind sie eher als Beitrag zur Medienvielfalt oder als schlichtes Propagandawerkzeug zu verstehen?
Die größte Auferstehung seit Lazarus
Nach dem Niedergang der Arbeiterzeitung 1991 verloren Parteimedien endgültig ihre Bedeutung. Es herrschte breiter Konsens am österreichischen Zeitungsmarkt, dass eigenständige, unabhängige Medien der Weg in die Zukunft eines pluralistischen Medienmarktes seien und es dieser nicht mehr bedürfe. Natürlich gab es nach wie vor Zeitungen, die sich selbst als eher progressiv oder bürgerlich verstanden – einige davon existieren bis heute und halten dies auch in ihrer Blattlinie fest. Doch ein grundsätzliches Bekenntnis zur Unparteilichkeit war beinahe bei jedem Blatt zu finden.
Bis in die 2010er Jahre war es also ruhig um die vormals so mächtigen Parteimedien, bis 2009 der FPÖ-nahe Blog „unzensuriert.at“ online ging, auch in den sozialen Medien. Dieser feierte schon bald erste Erfolge – nach wenigen Jahren erreichte man bereits tausende LeserInnen, mit Botschaften der FPÖ, gekleidet in eine augenscheinlich unparteiische redaktionelle Aufbereitung. 2015 legte die FPÖ mit infodirekt.at nach, wenig später folgte der Wochenblick. In keinem dieser Medien scheint die Freiheitliche Partei als Urheber auf, die RedakteurInnen gelten aber meist als FPÖ-nahe, viele haben teils hochrangige Funktionen inne. Die Querfinanzierung erfolgt oft über Inserate & Sponsorings.
Doch nicht nur das rechte Spektrum der Parteienlandschaft hat damit begonnen, eigene Kanäle aufzubauen – 2016 ging konktrast.at als sozialdemokratische Antwort online. Mit mittlerweile über 175.000 Followern auf Facebook erreicht der Kanal eine anschauliche Reichweite und macht, im Gegensatz zu seinen Mitbewerbern, auch keinen Hehl aus der Urheberfrage: Im Impressum steht ganz klar „Sozialdemokratischer Parlamentsklub“. Die Postings und Artikel haben zwar kein SPÖ-Logo, aber wer wissen möchte, woher die Botschaften kommen, kann dies in kurzer Zeit recherchieren. Dennoch stellt diese Recherche eine natürliche Transparenz-Hürde dar. Ähnlich verhält es sich mit dem, ebenso sozialdemokratischen, Blog „Neue Zeit“, der seit Herbst 2020 aktiv ist.
Ebenfalls aus den Räumen der Parlamentsklubs, allerdings aus den ÖVP-Büros, stammt der Blog „Zur Sache“. Geleitet wird das Medium vom ehemaligen Furche-Redakteur Claus Reitan, der sich bereits ein mediales Scharmützel mit Falter-Chefredakteur Florian Klenk geliefert hat.
In Print-Form zwar nur in Oberösterreich, online aber bundesweit angesiedelt ist die Tageszeitung der oberösterreichischen Volkspartei – namentlich nicht schwer einzuordnen als das „Oberösterreichische Volksblatt“. Als einziges Medium geht dieses auch den Weg der klassischen Tageszeitung, was vor dem Hintergrund der hohen Kosten, die eine solche mit sich bringt, beachtlich ist.
Österreich – ein Medienmarkt in der Zwickmühle
Ob man in Österreich ein Medium gründen bzw. betreiben kann oder nicht, hängt stets damit zusammen, wie prall der eigene Geldbeutel oder jener der Sponsoren ist. Die staatlichen Förderungen, in Form der Presse- bzw. Medienförderung, stagnieren seit Jahren (1976: 6,2 Mio. €; 2018: 8,7 Mio. €), während die Parteienförderung (1976: 4,6 Mio. €; 2018: 29,9 Mio. €) in ungeahnte Höhen schnellt.
Die Presseförderung bildet also eher einen überschaubaren Topf. Spannender ist ein Blick auf die Inserate, die jedes Jahr durch die öffentliche Hand an Medien vergeben werden. 2020 wurden hierfür rund 33,5 Mio. € ausgegeben – was knapp dem Vierfachen der Presseförderung entspricht. Die Kronen Zeitung, als reichweitenstärkste Zeitung Österreichs, sowie die beiden Gratiszeitungen heute und Österreich erhielten 2020 57 % des Inseratenbudgets – alle drei Medienprodukte sind dem Boulevard zuzuordnen. Die übrigen elf Tageszeitungen und deren Online-Ausgaben teilen sich die restlichen 43 %. Der österreichische Medienmarkt konzentriert sich durch die fragwürdige und durchwegs intransparente Inseratenvergabe also noch weiter.
Gleichzeitig gehen die Werbeeinnahmen durch private BetreiberInnen stetig weg vom Print in den Online-Bereich. Da Inserate rund 50 % der Umsätze von Tageszeitungen ausmachten, stellt dies eine weitere Bedrohung für deren finanzielle Unabhängigkeit dar. Die Folge sind ausgedünnte Redaktionen und prekäre Arbeitsverhältnisse für RedakteurInnen. Die Freude bei potenziellen Medienmachern, neue Formate zu gründen, ist folglich enden wollend, die goldenen Jahre, in denen man mit Medienunternehmen viel Geld machen konnte, sind vorbei. Seit der Inseratenaffäre rund um Ex-Kanzler Kurz steht zudem der Vorwurf der Inseratenkorruption im Raum, durch die man sich mit Schaltungen wohlwollende Berichterstattung erkauft haben soll. Vorgänge wie diese bilden zusätzliches Gift für eine aufgeklärte Gesellschaft, denn durch die unausgewogene Inseratenvergabe schauen Objektivitäts-orientierte Medienhäuser durch die Finger und gleichzeitig schadet sie dem Vertrauen der LeserInnen in die Redaktionen.
Die Lage ist also günstig für Parteimedien – mit den Parteien im Rücken stehen sie finanziell gut da und sind auch nicht auf Inserate angewiesen. Es ist folglich kein Wunder, dass sie wie Maiglöckchen im Frühjahr aus dem Boden schießen – der klassische Medienmarkt steht unter enormem finanziellem Druck, den Parteimedien aufgrund ihrer Struktur und Sonderstellung nicht kennen.
Parteimedien – ein Beitrag zur Medienvielfalt?
Vor diesem Hintergrund ergibt sich ein neuer Blickwinkel auf Parteimedien. Der Zeitungsmarkt in Österreich ist einer der höchstkonzentriertesten weltweit. Insofern kann jedes weitere Medium doch nur ein Zugewinn zu einer pluralistischen Meinungsvielfalt sein. Richtig? Ganz so einfach ist es nicht. Aufgrund ihrer offenkundigen politischen Agenda sollten Parteimedien nicht als klassische Medien verstanden werden, die journalistische Grundprinzipien beachten (müssen). Sie werden schließlich nicht von Parteien finanziert, um objektiv Bericht zu erstatten, sondern um die eigenen Positionen und KandidatInnen ins rechte Licht zu rücken. Sie können also schon aufgrund ihrer inhärenten Daseinsberechtigung nur einen kleinen Beitrag zu einem qualitativen und ausgewogenen Medienmarkt leisten. Das bedeutet nicht automatisch, dass die Beiträge eines solchen Mediums schlecht recherchiert sein müssen – aber eine angemessene kritische Kontextualisierung kann man nur bedingt erwarten.