Vom Sternekellner zum Krügerlträger

Nur wer Nerven wie Drahtseile hat, kann hier seinen Job meistern: Trotz Hektik und Strapazen findet der 30-jährige Matthias* Gefallen an seinem Beruf als Kellner im Schweizerhaus im Wiener Prater.


Einst brachte er Austern und gedämpften Hummer an weiß gedeckte Tische – heute stemmt er Stelzen und Bier. Matthias findet, dass er sich verbessert hat. Nur hier verdient er genug, um seine Schulden abzuzahlen: „Da bleibt einfach ka Zeit, Geld auszugeben. Am Sonntag schaust einfach, dass d’ die Hemden bügelst“, sagt er und lacht. 

Die Ruhe vor dem Sturm 

Der Geruch von Schnitzeln und Frittierfett erfüllt die Luft. Beinahe wenige Leute gönnen sich für die Mittagszeit im Schweizerhaus einen Snack, dennoch belebt das gedämpfte Geschirrklappern und das Plaudern der Gäste die Atmosphäre. „So ruhig ist’s hier nicht immer“, meint Matthias. Als anstrengend empfindet er seinen Job aber sehr wohl. Um elf Uhr kommen die ersten Gäste: „Davor musst halt ordentlich essen und trinken – danach hast ka Zeit dazu.“ 

Zu Beginn der Saison schaut der junge Mann stark und kräftig wie ein Bär aus. Das Hemd passt sich locker seinen breiten Schultern an. Seine sehnigen Hände sind jederzeit bereit, ein schweres Tablett zu balancieren. Während des Sommers verändert sich sein Erscheinungsbild jedoch. Ausgezehrt erscheint sein Körper. Matthias arbeitet seit fünf Jahren im Schweizerhaus. Während der langen Saison baut der Körper einfach ab: Durch den Stress verliert er acht bis zehn Kilo. 

Die Gäste merken jedoch von den Strapazen der Kellner nichts. Das Plaudern der Gäste und das geschäftige Treiben der Kellner erfüllt die Luft. Währenddessen genießen sie Stelze mit Knödeln und Sauerkraut im Schweizerhaus. Sicher 500 Leute finden darin Platz. Gartenlaternen wie zu Kaiser Franz Josephs Zeiten bringen ein wenig Nostalgie in das traditionelle Lokal. Unzählige Kastanienbäume bieten im Sommer Schutz vor der brennenden Mittagssonne. Getreu dem Motto „Fühlen Sie sich wie zu Hause“ wurden die einzelnen Gartenstationen im Schweizerhaus nach Wiener Gemeindebezirken benannt. So kann man sein frisch gezapftes Budweiser Budvar beispielsweise in „Kaisermühlen“ genießen. 

Rückkehr ausgeschlossen 

Auch der Restaurantleiter schwitzt, seine Augenringe lassen ihn fast wie einen Waschbären aussehen. Die Anstrengungen der letzten Wochen haben Spuren hinterlassen. Müde schlägt er sich mit Reservierungen, Abrechnungen und Schichteinteilungen herum. Das Schweizerhaus zu managen ist nicht leicht. Eine psychisch gefestigte Persönlichkeit erfordert es laut Matthias auf jeden Fall. Manchmal wirkt sogar ein Presslufthammer leise gegen den Lärmpegel im Restaurant. Die großen Tabletts mit 20 Krügerln Bier wiegen rund 35 Kilo, Technik ist die große Kunst dabei. „Die Kinder san daheim dann wie Engerl.“ Während er das sagt, grinst der Kellner breit. Seine Augen leuchten beim Gedanken an seine Kinder. 

Der junge Mann lernte sein Handwerk in der Haubengastronomie. Nach seiner Ausbildung lernte er in San Francisco in einem Sternehotel. Schlussendlich machte er sich in Wien selbstständig. Statt einer Haube erwirtschaftete er allerdings viele Schulden. Auf der Suche nach einem Job bewarb er sich beim Schweizerhaus. „Kannst a Tableau tragen?“ habe ihn der Restaurantleiter damals mit einem Blick auf seine Bewerbungsunterlagen gefragt. Zurückkehren in das Sternegewerbe möchte Matthias auf gar keinen Fall. Die Arbeit hier gefällt ihm. Matthias muss los; eine Großgruppe schwärmt in das Schweizerhaus.

*Name von der Redaktion geändert