Cyber-Mobbing – unterschätzte Gefahr

17 % aller Jugendlichen sind bereits Opfer von Cyber-Mobbing geworden, 10 % waren selbst schon Täter. In der Pandemie hat das Phänomen sogar noch zugenommen. Erwachsene nehmen dieses Problem aber offenbar oft nicht ernst genug.


Ein Mädchen als Cyber-Mobbing-Opfer
Opfer von Cyber-Mobbing wissen – oder ahnen zumindest – meist, wer die Täter sind (© geralt/pixabay)

Kinder und Jugendliche wachsen in einer digitalen Welt auf. Doch Social Media & Co bereiten nicht immer nur Freude – Cyber-Mobbing ist eine der Schattenseiten des Internets. Und mit dieser hat bereits die Hälfte aller 11- bis 17-Jährigen in irgendeiner Form Bekanntschaft gemacht, wie eine Studie des ÖIAT und der ISPA anlässlich des Safer Internet Days 2022 zeigt.

Die Befragung zeigt weiters, dass junge Menschen durchaus bereit sind, sich in solche schwierigen Situationen Hilfe zu holen. Doch sowohl Eltern, Lehrer als auch Online-Plattformen bieten nicht immer die Unterstützung, die sie sich wünschen würden. „Schau einfach nicht rein“ oder „ärgere dich nicht“ reichen als Hilfe nicht aus, wenn Opfer von Cyber-Mobbing wiederholt beschimpft, bloßgestellt oder verunglimpft werden.

Gerade in Zeiten der Pandemie, die das Phänomen noch gepusht haben, braucht es mehr Bewusstsein und Unterstützung. Meint auch Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm: „Die Pandemie belastet junge Menschen sehr, die letzten zwei Jahre waren für viele hart an der Grenze des Erträglichen. Und Cyber-Mobbing trägt hier mit Sicherheit seinen Teil bei.“

17 Prozent waren bereits Opfer von Cyber-Mobbing

Negative Online-Erfahrungen haben bereits viele Jugendliche gemacht. Dazu zählen Beschimpfungen und Beleidigungen (48 %), Ghosting – also der plötzliche, unangekündigte Kontaktabbruch durch andere (46 %), Lügen oder Gerüchte (41 %), Identitätsdiebstahl durch Fake-Profile (37 %), der ungewollte Erhalt unangenehmer Nachrichten (37 %) oder Einschüchterungsversuche (33 %).

Doch nicht jede unangenehme Situation ist gleich Cyber-Mobbing, wie die Experten von Saferinternet.at erklären. Unter Cyber-Mobbing versteht man das absichtliche und über einen längeren Zeitraum anhaltende Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen, Belästigen oder Ausgrenzen konkreter Personen (bzw. meist eine Kombination aus mehreren Formen) über digitale Medien.

Wie die Saferinternet.at-Studie zeigt, waren 17 % der Befragten schon einmal Opfer von Cyber-Mobbing, 42 % haben dies bereits bei anderen mitbekommen. Jede/r Zehnte sagt sogar, selbst schon aktiv mitgemacht zu haben. Und: Die Mehrheit gibt an, dass Opfer von Cyber-Mobbing gewöhnlich ahnen, wer dafür verantwortlich sein könnte (43 %) oder es sogar genau wissen (30 %).

Pandemie als Motor

Laut den befragten Jugendlichen findet Cyber-Mobbing am häufigsten auf Instagram (56 %), TikTok (42 %), Facebook (36 %) und Snapchat (32 %) statt – also Plattformen, auf denen öffentlich kommuniziert wird. Messenger-Dienste wie WhatsApp hingegen liegen (trotz der enormen Verbreitung) „nur“ an fünfter Stelle (30 %).

Immerhin 11 % nennen auch Videochat-Anwendungen für den Unterricht. Hier zeigt sich, dass die Pandemie als Treiber für Cyber-Mobbing auch im schulischen Umfeld fungiert. Knapp die Hälfte der Befragten (48 %) stimmt der Aussage zu, dass Cyber-Mobbing in Zeiten von Distance Learning häufiger vorkommt. So haben Jugendliche im Home-Schooling bei sich und anderen bereits erlebt, dass die Teilnahme am Online-Unterricht absichtlich schwer gemacht wurde (30 %), dass sie oder jemand anders bewusst von schulischen Informationen ausgeschlossen (23 %) oder während des Online-Unterrichts verspottet wurden (22 %).

Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at: „Leider ist die Präventionsarbeit gerade in dieser Zeit, die für viele Jugendliche eine besondere Herausforderung darstellt, zu kurz gekommen. Dabei sind vorbeugende Maßnahmen gegen Cyber-Mobbing während der Pandemie besonders wichtig.“

Hilfe: Theorie versus Praxis

Die Cyber-Mobber direkt zu konfrontieren (mit Appellen oder entsprechenden Kontern) oder einfach zu ignorieren, schätzen die Jugendlichen als wenig hilfreich ein. Als wichtigste Strategie sehen sie, sich Hilfe zu holen. Freunden werden von 78 % als wichtigste Ansprechpersonen genannt, gefolgt von Eltern (71 %) und Lehrenden (64 %). Allerdings meint fast die Hälfte der Befragten, dass Erwachsene in Cyber-Mobbing-Situationen oft nicht hilfreich sind. Ebenso hat ein Drittel (33 %) der Jugendlichen schon erlebt, dass Lehrende einen Fall nicht ernst genommen haben.

Eine ganz ähnliche Situation zeigt sich bei technischen Hilfsmitteln. So beurteilen es 70 % der Jugendlichen als hilfreich, Täter auf den Plattformen zu blockieren oder zu sperren. Diese zu melden, erachtet mit 59 % ebenfalls eine Mehrheit als hilfreich. 45 % der Jugendlichen haben jedoch erlebt, dass ihre Meldungen an die Betreiber sozialer Netzwerke nicht wie erwartet bearbeitet wurden.

Eltern und Schulen besonders gefordert

Die gute Nachricht: Immerhin fast 60 % der Jugendlichen wurden bereits über Cyber-Mobbing (und wie man sich dagegen wehren kann) informiert. Vor allem durch Lehrer (84 %), Eltern (45 %), Internet (38 %) und Workshops (35 %). Dennoch ist hier noch Luft nach oben.

„Eltern sollten ein offenes Ohr haben und ihrem Kind signalisieren, dass es ernst genommen wird“, so Bernhard Jungwirth, Projektleiter Saferinternet.at. „Denn egal, in welcher Rolle das eigene Kind in eine Cyber-Mobbing-Situation involviert ist: Jugendliche hier zu begleiten und gemeinsam eine Lösung zu finden, ist eine wichtige Aufgabe der Eltern.“

Aber auch im schulischen Umfeld sollte das Thema weiterhin forciert werden – denn es ist zugleich Ort der Hilfe bzw. Prävention und Ort des Geschehens. Fortbildungen für Pädagogen, ein Ausbau von Unterstützungsstrukturen und Präventions-Workshops zählen laut Saferinternet.at zu den wichtigsten Ansatzpunkten. Online-Plattformen seien ebenso gefordert, ihre Meldeprozesse weiter zu verbessern. Auf saferinternet.at werden zahlreiche Informationen und Angebote für alle Zielgruppen angeboten.