
Zahlreiche österreichische Banken haben über Jahre in Kreditverträgen sogenannte „Kreditbearbeitungsgebühren“ verlangt, etwa für Liegenschaftsbesichtigungen oder Grundbuchprüfungen, obwohl Kunden bereits pauschale Bearbeitungsentgelte zahlten. Stefan Schleicher, Vorstand des Prozessfinanzierers Jufina, vermutete Doppelabrechnungen und brachte gemeinsam mit Anwalt Florian Knaipp mehrere Fälle vor Gericht. Nach zwei Jahren fiel nun das Urteil: Der Oberste Gerichtshof (OGH) erklärte die Gebühren für unzulässig und urteilte auf Rückzahlung.
Erstmals hat die höchste Instanz nun über die Klage eines Verbrauchers wegen Kreditbearbeitungsgebühren entschieden. Bisher kam es bei solchen Fällen meist zu außergerichtlichen Vergleichen, wobei einzelne Banken freiwillig Rückzahlungen leisteten. Das Urteil schafft nun Klarheit: Alle derartigen Gebühren sind zurückzuzahlen. Beklagte war in diesem Fall die BAWAG P.S.K., die 12.150 Euro erstatten muss. Laut Stefan Schleicher dürfte ein Großteil der Hypothekarkredite der vergangenen 30 Jahre bei den meisten österreichischen Banken betroffen sein.
Wir rechnen mit einer Klageflut in Milliardenhöhe. Uns erreichen monatlich hunderte Anfragen zu solchen Fällen, mit diesem Urteil werden es wohl nochmal deutlich mehr werden. Darauf sind wir vorbereitet. Nach einem langen Instanzenzug konnten wir endlich klarstellen, dass diese Doppelgebühren nie zulässig waren. Jetzt geht es darum, all den Betroffenen zu ihrem Recht zu verhelfen.
Stefan Schleicher, Vorstand des Prozessfinanzierers Jufina
Urteil gilt auch rückwirkend
Der OGH begründete sein Urteil mit der mangelnden Transparenz der Kreditbearbeitungsgebühren. Im konkreten Fall wurden 12.150 Euro als pauschales „Bearbeitungsentgelt“ verrechnet, zusätzlich fielen noch einzelne Gebühren für Schritte wie gerichtliche Eingaben oder Grundbuchanfragen an.
Damit bleibt im Umkehrschluss unklar, wofür der Pauschalbetrag tatsächlich berechnet wurde. Aufgrund dieser Intransparenz verurteilte der OGH die Bank zur Rückzahlung. Stefan Schleicher weist darauf hin, dass die meisten Banken ähnlich vorgehen, besonders bei Hypothekarkrediten seien oft hohe Summen betroffen.
Seit einigen Jahren werden zu diesem Thema Sammelklagen eingereicht. Häufig scheitern sie jedoch, da sich Kreditbearbeitungsgebühren nur schwer für dieses juristische Instrument eignen: Laut EU-Recht müssen die zusammengefassten Fälle nahezu identisch sein, damit eine Sammelklage zulässig ist.
Die Kreditverträge österreichischer Banken sind oft unterschiedlich formuliert und die Gebühren tragen verschiedene Bezeichnungen. Deshalb werden Sammelklagen in der Regel erstinstanzlich abgewiesen. Einige Verfahren befinden sich derzeit in Berufung und könnten bis zum Europäischen Gerichtshof gelangen.
Wir haben daher bewusst den Weg individueller Klagen gewählt, und waren damit erfolgreich. Nun ist auch der Weg frei für die vielen weiteren Fälle, die wir derzeit bearbeiten, und natürlich für all jene, die vielleicht erst jetzt ihre Kreditverträge nach solchen Gebühren durchsuchen. Dazu möchte ich auch dringend raten. Das Urteil gilt rückwirkend, und die Ansprüche verjähren erst nach 30 Jahren.
Florian Knapp, Anwalt
MW
