Beeinflusst Klassismus die Medien?

Diversität wird in vielen Redaktionen großgeschrieben. Dabei wird jedoch ein Aspekt kaum diskutiert: Die soziale Herkunft. Und das kann für Medien problematisch sein.


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Einkommensschwache klar unterrepräsentiert

Klassismus, also die Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft, ist ein sehr altes Phänomen, das immer noch enorm präsent ist. Trotzdem ist in Bezug auf die soziale Herkunft die Diversität im Journalismus selten gegeben. Journalisten aus dem nicht bürgerlichen Milieu sind in Redaktionen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit eine Minderheit. Zahlen aus Deutschland zeigen, dass Journalisten überwiegend aus der gehobenen Mittelschicht kommen. In Österreich gibt es keine derartigen Erhebungen. Doch die Mehrheit der im Journalismus arbeitenden Personen dürfte auch hierzulande aus dem bürgerlichen Milieu stammen.

Journalisten aus eher einkommensschwachen Haushalten können in ihrem Berufsalltag klare Unterschiede erkennen. Unter anderem berichtet der ORF-Mitarbeiter Jürgen Klatzer von Differenzen in Redaktionssitzungen: „Was mir auffällt ist, dass ich oft Themen vorschlage, die nur ich vorschlage. Zum Beispiel das Thema Lehre. Meine Mutter ist Schneiderin, meine Schwester Einzelhandelskauffrau – da ist das Thema Lehre drin.“ Viel öfter werde in der Redaktion Geschichten rund ums Studium thematisiert. Zwar ist es dann erwünscht, dass er über das Thema Lehre berichtet, „aber ich bin der Einzige, der es vorschlägt. Da fällt es auf.“

Einseitige Berichterstattung der Medien

Martina Thiele, Professorin für Medienwissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen dazu in ihrem Buch „Medien & Stereotype – Konturen eines Forschungsfeldes: „In welcher Form Journalisten über soziale Ungleichheit, Ausgrenzung und Armut berichten, wie Klassismus betroffene [sic!] in TV-Dokus oder Reportagen porträtiert werden oder aber gänzlich unsichtbar bleiben, prägt unsere Vorstellungen als Rezipienten entscheidend mit. Massenmedien wirken als Sozialisationsinstanz, sie übermitteln Vorstellungen von der Welt und sind an der Tradierung von Stereotypen über Generationen hinweg beteiligt.“

Olivera Stajić, Leiterin des Video-Teams beim Standard, sieht die mangelnde Diversität in Hinblick auf soziale Herkunft ebenfalls als problematisch. „Es ist natürlich katastrophal, wenn Leser keinen Kommentar lesen, der sich auch für sie einsetzt“, so Stajić. Je diverser eine Redaktion aufgestellt sei, desto diversere Themen werde sie auch aufgreifen, sagt Amra Durić, Chefredakteurin von heute.at: „So hat man auch eine größere Leserschaft. Das ist das, wo viele aber noch hinmüssen.“ Das Problem scheint sich jedoch weiter zu verschärfen – nicht nur aufgrund der aktuellen Sparwellen in Redaktionen.

Ein Grund dafür ist unter anderem die steigende Akademisierungsquote im Journalismus. Diese ist im vergangenen Jahrzehnt stark angestiegen und somit hat mittlerweile knapp jeder zweite Journalist einen Hochschulabschluss. Somit führt der Weg in den Journalismus immer häufiger über ein Studium. Studieren ist für Jugendliche aus sozial schwachen Haushalten aufgrund der finanziellen Lage schwieriger und für viele Personen kaum bis gar nicht leistbar. Auch Praktika, die häufig mit einer schlechten Bezahlung einhergehen, stellen für Kinder aus dem nicht bürgerlichen Milieu ein enormes Hindernis dar. Dabei sind Praktika und die damit verbundene praktische Erfahrung für den Weg in den Journalismus zwangsläufig unumgänglich.

Ungerechte Einstiegschancen

„Ein Studium, ein Praktikum, eine Wohnung in Wien – all das muss man sich leisten können.“, so Durić. Trotzdem wird in Ausschreibungen für journalistische Jobs häufig ein Hochschulabschluss oder praktische Erfahrung durch beispielsweise ein Praktikum verlangt. Das stellt für viele junge Menschen eine Einstiegshürde dar und erschwert den Weg in den Journalismus für Personen aus einkommensschwachen Familien. Auch in Sachen Information könnten Medienunternehmen mehr machen, um das Problem zu verbessern: „Ich glaube, dass Medienunternehmen in Volksschulen gehen und zumindest zeigen sollten, was Journalisten machen“, meint Durić. Gerade Kinder aus Arbeiterhaushalten hätten oftmals keinen Kontakt mit oder Vorstellung über Journalismus: „Ich habe null Ahnung gehabt, was Redaktionen machen.“ Durić plädiert dafür, Praktika in Redaktionen zugänglicher zu machen und besser zu bezahlen. Sie erinnert daran, dass man für die Teilnahme an der Lehrredaktion der Presse sogar zahlen musste, um teilzunehmen.