Streaming-Angebote sollen Jugendliche für Bundestheater begeistern

Die Anfang Februar 2023 veröffentlichte Besucherstatistik der Bundesmuseen aus dem Jahr 2022 hat es deutlich gemacht: Mit 5,4 Mio. Besuchern hat sich das Niveau zum Vorjahr verdoppelt, bleibt aber mit 20 Prozent unterhalb der Bestmarke von 2019.


Sitzreihe im Theater
© Kilyan Sockalingum Photo auf Unsplash

Ein leichter Aufwärtstrend ist ebenfalls bei den Bundestheatern ersichtlich, wohingegen Kinos und Konzerte weiterhin nur durchschnittlich besucht werden. Nach der Aufhebung der Corona-Maßnahmen konnten die sozialen Interaktionen weitgehend wiederhergestellt werden, sodass gleichermaßen in den Bundesmuseen und -theatern ein Anstieg der Besucherzahlen verzeichnet wurde. Der Absturz von Auslastungsquoten in österreichischen Theatern ist jedoch kein Marketingproblem.  

Besucherstarke Generation geht bald in den Ruhestand

Abseits von ästhetischen Diskussionen zur Bewahrung konservativer Strukturen wurde bislang die Generation der geburtenstarken Babyboomer zu wenig berücksichtigt. Als ideelles und wirtschaftliches Rückgrat der letzten 30 Jahre, zieht sich diese Generation in den Ruhestand zurück und hinterlässt eine strukturelle Lücke in den Kulturbetrieben. Schon heute kommen auf eine 16-jährige Person rund zwei bis drei 60-Jährige. Hinzu kommt das verstärkte Streaming-Angebot, sodass sich Jugendliche lieber in den sozialen Netzwerken aufhalten als an einer Podiumsdiskussion oder Kulturveranstaltung teilzunehmen. Laut dem Kulturwissenschaftler Thomas Renz vom Berliner Institut für Kulturelle Teilhabenforschung werde das Digitale dem Live-Erlebnis nicht unmittelbar vorgezogen. Kulturangebote werden nur im deutlich geringeren Ausmaß als noch vor 40 Jahren genutzt.

„Absolutes Unverständnis darüber herrscht, wenn ein Kulturangebot nicht im Netz abrufbar ist. Das, was im Digitalen nicht vorkommt, wird häufig im Analogen gar nicht wahrgenommen.“

Soziologin Susanne Keuchel

Bildende Künste entsprechen der visuellen Logik sozialer Netzwerke

Studien belegen, dass traditionelle Kulturbetriebe wie Theater und Oper von Jugendlichen nur durchschnittlich besucht werden. Die bildenden Künste hingegen entsprechen der visuellen Logik sozialer Netzwerke und sind zeitlich unabhängig je nach Bedürfnis nutzbar. Gewinner sind kleine Einrichtungen, die auf eine Optimierung der Zielgruppe im Nischenbereich abzielen. Mithilfe großer privatwirtschaftlicher Streaming-Plattformen werden maßgeschneiderte Angebote direkt ins Wohnzimmer gebracht. Über gesellschaftlich nicht mehr relevante Kulturangebote oder ein potenzielles Überangebot wird aktuell nicht debattiert, denn „Kulturförderung ist per se gut“, so Thomas Renz. Soziologin Keuchel plädiert für eine kostenlose Zugänglichkeit subventionierter Kultur sowie der Durchmischung von soziokulturellen Räumen.

Der Zustand der Kunstsparte wird bislang in (sozial-) medialen Debatten geführt; die Stadt Wien will bis 2030 eine Kulturstrategie mit relevanten Maßnahmen entwickeln. Die aktuelle Krise zeigt, dass Theater ein Ort der moralischen und politischen Auseinandersetzung und folglich ein Markt der Deutungen ist. Die viel strapazierten Auslastungszahlen zeigen lediglich an, dass öffentlich finanzierte Kunst im beabsichtigten Maße realisiert wurde. Ginge es nur um die ökonomische Kalkulation, wären Musicals die einträglichste Variante. Öffentliche Förderungen sind aber an relevante Kunst gebunden und sollen besonders im Theaterbetrieb unterschiedliche Denkräume zum Betrachten und Austauschen ermöglichen.

Theaterarbeit als programmatisches Streaming

Die Österreichischen Bundestheater waren mit Saisonbeginn 2020/21 bis zur erzwungenen Schließung ab 03. November 2020 auf dem Weg in eine erfolgreiche Spielzeit. In der verkürzten Saison zählte man 211.000 Besuchern bei 478 Vorstellungen. Die Sitzplatzauslastung betrug für die Wiener Staatsoper knapp 94 Prozent, das Burgtheater 68 Prozent und für die Volksoper Wien rund 67 Prozent. Für das Berichtsjahr 2020/21 konnte der gesamte Bundestheaterkonzern Umsatzerlöse von 20,2 Mio. Euro erzielen; ein Minus von 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Das Burgtheater hielt während der Schließung den Kontakt mit seinem Publikum über diverse Onlineaktivitäten: Die laufende Theaterarbeit wurde über die Reihe „Probeneinblicke“ sowie einzelne Produktionen als programmatisches Streaming im Netz geteilt. Somit feierte die Aufführung von Richard II. online die Premiere. Die Inszenierung von Barbara Freys Automatenbüfett wurde bei der digitalen Ausgabe des Berliner Theatertreffens via Stream im ORF und auf 3sat präsentiert. Das Angebot wurde mit digitalen Theaterprojekten, Online-Inszenierungen und technischen Hilfsmitteln wie Tablets für die kulturaffinen Teilnehmer ergänzt.

Ein weiterführendes Gespräch mit Staatssekretärin Andrea Mayer, Aufsichtsratsvorsitzender Brigitte Bierlein und Geschäftsführer Christian Kircher kann im Geschäftsbericht 2020/21 der Bundestheater-Holding GmbH nachgelesen werden.