Der EU-Bürgerinitiative StopFinningEU ist in Pandemie-Zeiten das scheinbar Unmögliche geglückt: Ganze 1,2 Millionen Unterschriften für eine Problematik zu sammeln, die bisher kaum in den Köpfen der Menschen verankert war. Mit den Stimmen soll ein politischer Prozess für ein Haiflossenhandelsverbot in der EU angestoßen werden. WirtschaftDirekt wollte wissen, wie das Ziel trotz schwieriger Rahmenbedingungen erreicht werden konnte und hat die Social-Media-Chefin der Initiative, Katharina Loupal, zum Interview geladen.
StopFinningEU hat zwei Jahre lang Stimmen gesammelt – das ist eine sehr lange Zeit, die gerade im ehrenamtlichen Bereich leicht für Ermüdungserscheinungen sorgt. Wie ist es euch gelungen, das Team so lange motiviert zu halten?
Katharina Loupal: Das Wichtigste war die kontinuierliche Kommunikation über den gesamten Zeitraum: Virtuelle Team-Meetings und WhatsApp-Gruppen haben geholfen, den Überblick über den aktuellen Voting-Stand und Trends zu bewahren sowie natürlich kleine Zwischenerfolge zu feiern. Zusätzlich haben wir im Newsletter klare Calls-to-Action gesetzt – es wurde dazu aufgerufen, etwa Social-Media-Postings zu teilen oder an Events, wie etwa an unseren #50DaysLeft in ganz Europa, teilzunehmen.
Gerade Bürgerinitiativen leben meist vom Stimmen-Sammeln auf der Straße oder von Aktionismus. Während einer Pandemie, bei der die Kontaktbeschränkung an oberster Stelle stehen sollte, kann man seinen Fokus folglich nicht auf die klassischen Mittel zur Stimmengenerierung setzen. Wie ist es euch dennoch gelungen, über 1 Mio. Unterschriften zu erreichen?
Loupal: Aufgrund der Rahmenbedingungen haben wir auf eine reine Online-Strategie gesetzt. Erfreulicherweise konnten reichweitenstarke Influencer und starke Partner als Unterstützer gewonnen werden und dank diversen Partnergruppen in den verschiedenen Ländern hatten wir eine solide Bandbreite an Medienkontakten. Auffällig war, dass besonders TV-Beiträge dabei geholfen haben, Stimmen zu akquirieren.
Eine der Hürden war es, in sieben Ländern eine Mindeststimmengrenze zu erreichen. Wie sah hierzu eure Strategie aus? Gab es örtliche Kooperationspartner?
Loupal: Wir haben über 100 Partnerorganisationen aus ganz Europa und Länderteams in zahlreichen europäischen Staaten. Dabei waren die Mindeststimmen nie eine Herausforderung, besonders in kleineren EU-Ländern. Schwierig war es, die 1 Million Stimmen und den 20 %-Sicherheitspuffer zu erreichen. Selbst wenn wir in allen EU-Ländern die Mindeststimmen gehabt hätten, wären wir mit nur etwa 45 % der notwendigen Unterschriften gescheitert.
Als Tierschutzorganisation hat man in der Regel keine Großspender zur Verfügung, die einem die Werbekampagne finanzieren. Wie konntet ihr die nötigen Mittel für Flyer, Plakate, Social Media Werbung usw. auftreiben?
Loupal: Anfänglich haben uns einzelne Partner finanziell ausgeholfen. Später hatten wir selbst ein kleines, aber dennoch solides Fundraising am Laufen, womit wir unsere Kosten decken konnten.
Was war für dich das wichtigste Mittel, die entscheidendste Emotion zur Mobilisierung?
Loupal: Das war definitiv die weitreichende Vernetzung, insbesondere auf Instagram mit Influencern, Partnern, aber auch Freiwilligen sowie emotionalisierendes Foto- und Videomaterial mit einem klaren Call to Action.
Besonders spannend ist, dass die Initiative gerade in den letzten drei Wochen massiv an Unterschriften hinzugewonnen hat. Wie kam es zu diesem rasanten Anstieg an Unterstützungen?
Loupal: Durch das vorherrschende Gefühl von Dringlichkeit haben Partner wie auch Freiwillige ihr Engagement verstärkt. Als wir Anfang Jänner die Hälfte der Stimme erreicht hatten, sind immer mehr größere Organisationen und Influencer aufgesprungen – die Chance auf Erfolg war für sie nun greifbar. Zu den namhaften Unterstützern, die im Entspurt gewonnen werden konnten waren etwa der Meeresbiologe und Fotograf Robert Marc Lehmann, der YouTube Deutschland mobilisierte, die Organisation „SeaLegacy“ und auch das Team hinter der Dokumentation „Sharkwater“.
Welchen Tipp würdest du anderen Initiativen geben, um erfolgreich zu sein?
Loupal: Baut euch eine großartige Community auf, nehmt Anfragen ernst und beantwortet jede einzelne davon auf Social Media. Dabei solltet ihr Influencer und Partnerorganisationen finden, die zu euch passen – sprecht sie zielgerecht an und betreut sie langfristig und persönlich. Und ein ganz wichtiger Tipp am Rande: Nicht den Mut verlieren und niemals aufgeben!
Wie geht es mit der Bürgerinitiative nun weiter?
Loupal: Aktuell werden die Unterschriften von der EU geprüft und währenddessen können wir noch Offline-Votes einreichen. Danach besteht für die Europäische Kommission Anhörungspflicht und wir können #StopFinningEU bei einer öffentlichen Anhörung im Europäischen Parlament vorstellen. Innerhalb von drei Monaten wird die Europäische Kommission anschließend eine Antwort über das weitere Vorgehen geben. Dies führt im besten Fall zu einer Annahme des Vorschlages und einer Gesetzesänderung. Allerdings kann die Bürgerinitiative auch von der Europäischen Kommission abgelehnt werden, sofern die Gründe dafür erläutert werden.