Die Versicherungs-Revoluzzer

Versicherungen sorgen oft für Verunsicherung. Zu kompliziert, zu viel Fachchinesisch, zu viele Ausnahmen. Anders und besser will es Segurio machen: Das österreichische Unternehmen verspricht einfache All-Risk-Produkte ohne Selbstbehalt. Wo ist der Haken? WirtschaftDirekt hat nachgefragt.


Franz Ihm und Nina Gscheider versichern mit Segurio Lieblingssachen (© Patrick Möckesch)

Polizzen in epischer Länge, Kleingedrucktes ohne Ende, Ausnahmen von der Ausnahme von der Regel: Das kommt vielen in den Sinn, wenn sie an Versicherungen denken. Dabei sollen diese doch – genau: Sicherheit geben.

Neben Gesundheit, Auto und Hausstand gibt es viele weitere Dinge, die uns wichtig sind. Bei denen wir traurig werden, wenn sie kaputt oder gestohlen werden. Die tolle Kamera, die man sich endlich geleistet hat. Das Klavier, das beste Dienste als Seelenstreichler leistet. Oder die absurd teure Designer-Tasche, auf die man so lange hingespart hat.

Auf beides will Segurio (mit Sitz in Wien und mittlerweile in 14 Ländern aktiv) die Antwort liefern: Lieblingssachen versichern. Und zwar ganz klar, ganz einfach, virtuell. Wir wollten wissen, was hinter dem vollmundigen Versprechen steckt. Die Segurio-Gründer Nina Gscheider und Franz Ihm stehen im WirtschaftDirekt-Interview Rede und Antwort.

Das Netflix der Versicherungsbranche

Sie bezeichnen sich selbst als „eine Art Revoluzzer im Versicherungsbusiness“. Was genau ist so revolutionär an Segurio?

Ihm: Wir bieten eine vollständig digitalisierte Abwicklung mit vielen Vorteilen für Kunden, die man normalerweise in dieser Form von Versicherungen nicht kennt. Zum Beispiel, dass es keine Bindungsfristen gibt: Man kann monatlich seinen Vertrag stornieren, wie man das von Netflix oder ähnlichen Anbietern kennt. Revolutionär ist zudem, dass die Bedingungen kurz und verständlich gehalten und auf den Punkt gebracht sind. So weiß der Kunde bei Vertragsabschluss ganz klar, was versichert ist – und was nicht.

Gibt Ihnen das Kundenfeedback hier Recht? Gibt es tatsächlich wenige Nachfragen?

Gscheider: Durchaus. Am Anfang reagierten die Kunden eher ungläubig: „Kann das denn wirklich wahr sein?“ Schon der Aufbau der Polizze ist bei uns anders. Alles, was nicht definitiv ausgeschlossen ist, ist bei uns versichert. Diesen Umkehrschluss kannten die Kunden nicht von Versicherungen.

Ihm: Das Kundenfeedback zeigt, dass Schwierigkeiten und Komplexität bei Versicherungen in den Köpfen der Konsumenten verankert sind. Das ist ein klares Manko der Branche. Und macht es für uns spannend. Wir wollen beweisen, dass Versicherungen nicht schrecklich kompliziert sein müssen.

Welchen Background haben Sie und wie ist die Idee zu Segurio entstanden?

Ihm: Ich habe jahrelang bei verschiedenen Brokern gearbeitet, die jeweils nicht nur fertige Produkte von Versicherungen verkauft, sondern auch etwa die Dokumentenerstellung und das Inkasso für diese verarbeitet haben. Vor diesem Background hat sich die Idee zu Segurio entwickelt. Nina ist eher die Quereinsteigerin. Ihr Blick von außen war und ist extrem wichtig, um blinde Flecken bei Bewährtem und Gewohntem aufzuzeigen.

Gscheider: Ich habe Kunstgeschichte und Archäologie studiert, komme also aus einem völlig anderen Bereich. Ich zählte selbst zu den ängstlichen Verbrauchern, die dachten, dass sie im Schadensfall ohnehin nichts bekommen und vom Kleingedruckten überfordert waren. Diese Sichtweise habe ich als Basis eingebracht, um ein wirklich nutzerfreundliches Produkt aufzustellen.

© Patrick Möckesch

Mehrwert durch Digitalisierung

Sie haben renommierte Partner – u. a. Ergo, UNIQA und Zürich – an Ihrer Seite. Warum arbeiten die mit Ihnen als Online-Konkurrenz zusammen?

Ihm: Diese Partner sind wirklich daran interessiert, im Zuge der Digitalisierung einen Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Hier gibt es große Unterschiede zwischen den Versicherern. Digitalisierung ist das zentrale Thema – aber der springende Punkt ist, ob ein Umdenken gelingt, um den Kunden in den Fokus zu stellen. Denn die Versicherungsprodukte an sich sind seit den 1980er-Jahren nicht wesentlich überarbeitet worden. Es geht darum, die Digitalisierung zu nutzen, um das Produkt schneller, übersichtlicher und vielleicht auch günstiger zu gestalten.

Dann sind sie also im Grunde keine Konkurrenz, sondern bringen zusätzliches Geschäft?

Gscheider: Genau. Große Konzerne sind aufgrund ihrer Strukturen oftmals nicht so flexibel. Ein neues, digitales Produkt aufzustellen und an die Kunden zu bringen, dauert meist einige Jahre. Als kleines Team mit einem großen Partner können wir hier viel schneller agieren.

© Segurio

Sie konzentrieren sich auf die Versicherung von Objekten – von Instrumenten über Schmuck und Technik bis hin zu Weinen. Wie kam es zu dieser Auswahl?

Ihm: Die Idee ist, dass man bei Segurio gezielt die Objekte versichern kann, die man versichern möchte. Ob das nun ein Kunstwerk, eine Handtasche oder ein Schmuckstück ist. Diese Objekte werden im Vertrag einzeln angegeben und sind auch wirklich versichert – auch weltweit, wenn man verreist – und genau zu dem Wert, der angegeben ist. Damit wissen die Kunden schon vor einem Schadensfall, was sie bekommen. Herkömmliche Haushaltsversicherungen decken solche Objekte pauschal ab und berechnen nach Wiederbeschaffungswert, Abnützung etc. So kann es passieren, dass man für ein Designer-Stück, das noch im Wert steigt, nur ein Drittel des Preises erhält.

Diesen Wert muss man aber schon per Rechnung belegen?

Ihm: Gerade bei Schmuck oder Uhren steigt der Wert oft. Man kann diese daher zu einem höheren Wert versichern als es der Kaufpreis war. Vorausgesetzt, dass es dem aktuellen Marktwert entspricht.

Versichert ist Ihren Angaben zufolge alles, was nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Feuer, Diebstahl, Verlust – sogar Selbstverschulden. Das ist ungewöhnlich. Wie geht das?

Ihm: Möglich wird das durch unsere All-Risiko-Struktur, die in den Bedingungen verankert ist. Ausgeschlossen ist natürlich Vorsatz – Versicherungsbetrug können auch wir nicht zulassen – sowie natürliche Alterung bzw. Abnutzung. Aber jedes plötzliche Schadenereignis ist versichert. Egal, ob durch den Versicherungsnehmer selbst oder jemand anderen.

Es gibt bei Segurio auch keinen Selbstbehalt. Eine weitere Besonderheit …

Ihm: Wir haben schon etwa bei Uhren eine Selbstbeteiligung, wenn sie einfach verloren werden. Aber in allen anderen Fällen wie Beschädigung oder Diebstahl gibt es keinen Selbstbehalt. Das ist einer der zentralen Vorteile von Segurio.

Welche Dinge werden am häufigsten bei Ihnen versichert?

Gescheider: Die Top Drei der versicherten Objekte sind Musikinstrumente, Uhren & Schmuck – zum Beispiel Verlobungsringe – sowie Kunst.

Handtaschen dann doch nicht …

Gscheider: Ich glaube, viele Menschen denken gar nicht daran oder wissen nicht, dass man die versichern könnte. Noch nicht: In den letzten Jahren haben sich Handtaschen zunehmend als Sammlerstücke etabliert und sind auch immer wieder bei Auktionen aufgetaucht. Sie sind für viele Frauen absolute Lieblingsstücke. Es muss nicht unbedingt die 20.000 Euro teure Hermès-Tasche sein: Manche sparen einfach auf eine bestimmte Bag hin. Das ist sehr emotional und schön. Segurio will nicht stereotyp den ganzen Markt abdecken, sondern individuell Lieblingsstücke versichern.

© Segurio

Eine Versicherung, die mit übersiedelt

Wie äußert sich die Individualität noch?

Gscheider: Man kann mit Segurio auch problemlos seinen Wohnort wechseln, ohne dass es kompliziert wird. Zum Beispiel, wenn ich von Wien nach München übersiedle oder bei jungen Menschen, die ein Auslandssemester machen. Normalerweise zieht das eine Reihe von Problemen nach sich. Abmeldung, die Schwierigkeit, die gleiche Versicherung auch anderswo zu finden – selbst, wenn das Versicherungsunternehmen in beiden Ländern existiert – usw. Das ist einfach nicht nah am Menschen, deshalb wollten wir das anders machen.

Apropos Kontakt. Wenn alles online abläuft, wie ist das dann mit dem Kundenservice? Muss ich mich mit einem Chatbot unterhalten?

Gscheider: Wir haben einen Telefonservice, der werktags von 8 bis 20 Uhr verfügbar ist. Da sind auch echte Menschen am Telefon. Außerdem können Fragen und Anliegen per Mail geschickt werden. Diesen Kanal nützen die meisten Kunden.

Dann darf man insgesamt davon ausgehen, dass 60+ nicht unbedingt Ihre Zielgruppe ist?

Ihm: Nein, das ist nicht korrekt. Unsere User sind gar nicht so jung, wie man glauben könnte. Wir haben viele Kunden, die zwischen 60 und 70 sind. Die Internetnutzung ist mittlerweile in allen Generationen angekommen.

Nehmen wir an: Ich besitze einen Egg Chair von Arne Jacobsen. Und weiß, dass ich zu Weihnachten Besuch von meinen drei Neffen bekomme, vor denen nichts sicher ist. Könnte ich den Sessel auch nur für einen Monat bei Ihnen gegen Vandalismus versichern?

Ihm: Wenn Sie zum Beispiel Mitte November abschließen, zahlen Sie anteilig die Prämie für das halbe Monat und können mit Ende Dezember wieder kündigen. Das heißt, grundsätzlich wäre eine so kurze Bindung bei Bedarf möglich und könnte ohne Angabe von Gründen wieder gekündigt werden. Aber natürlich ist unser Ziel, dass die Kunden unser Produkt langfristig nutzen und gegebenenfalls auch weitere Objekte versichern lassen. Wer weiß, wann die Neffen wieder zu Besuch kommen …

Nur aus Neugier: Was hat es mit dem Eierkopf-Buddha auf sich, der Ihre Startseite ziert?

Gscheider: Ganz einfach: er macht gute Laune. Die Versicherungsbranche hat es verdient, dass sie ihr „rotes Tuch“ ablegen darf. Wir wollen mit Segurio beweisen, dass sie nicht so schlecht ist wie – teils – ihr Ruf. Das soll auch die Optik unserer Website transportieren.

© Segurio