„Emotion ist wichtiger als Information“

Interne Kommunikation ist eine oftmals unterschätzte Disziplin: Denn nur, wer es schafft, seine Mitarbeiter durch die richtige Ansprache zu motivieren, inspirieren und involvieren, wird langfristig Erfolg haben. Experte Helmut Stögerer im Interview über Beziehungen, Botschaften und warum interne Kommunikation Chefsache sein muss.


Mag. Helmut Stögerer: "Interne Kommunikation kann scheitern, wenn man große Pläne macht, aber es dann einfach kein Commitment gibt" (© Sebastian Philipp)

Strategische PR, Marketing und Werbung sind für Unternehmen meist selbstverständlich. Was mitunter stiefmütterlich behandelt wird, ist die interne Kommunikation.

Dabei ist dieser Bereich absolut wesentlich für den Erfolg eines Unternehmens: Nur, wer mit seinen Mitarbeitern direkt, offen und regelmäßig kommuniziert, darf sich ein zufriedenes, motiviertes und loyales Team erwarten, das effizient und eigenverantwortlich arbeitet und die Werte sowie den Spirit des Unternehmens mitträgt.

WirtschaftDirekt hat mit dem PR-Berater Mag. Helmut Stögerer, einem Experten auf dem Gebiet der internen Kommunikation, über diese allzu oft vernachlässigte Disziplin und die wichtigsten Dos & Don’ts gesprochen.

WirtschaftDirekt: Herr Stögerer, man sollte meinen, dass interne Kommunikation – frei nach dem Watzlawickschen Motto „Man kann nicht nicht kommunizieren“ – eine Selbstverständlichkeit ist. Warum braucht es dennoch Experten dafür?

Stögerer: In Bezug auf interne Kommunikation gibt es ein anderes Axiom von Watzlawick, das ich fast noch wichtiger finde: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt“. Wobei in diesem Bereich die Beziehungsebene – also die Emotion – oftmals wichtiger als die Informationsebene ist. Meiner langjährigen Erfahrung nach ist es in Unternehmen selbstverständlich, dass man dafür in der externen Kommunikation alle psychologischen Gesetzmäßigkeiten berücksichtigt und sich Experten oder Agenturen für die professionelle Konzeption und Umsetzung holt. Warum sollen diese Gesetzmäßigkeiten und damit verbundenen Möglichkeiten nicht auch für die interne Kommunikation gelten? Letztlich geht es bei interner Kommunikation darum, die persönliche Kommunikation samt der damit verbundenen Beziehungsebene zwischen Führungskraft und Mitarbeiter – die im Alltag einfach nicht immer möglich ist – bestmöglich zu ersetzen.

Wie kann man diese Beziehungsebene bzw. den persönlichen Aspekt transportieren?

Die Beziehungsebene ersetzen bedeutet primär, dass man Emotion in die Formate der internen Kommunikation bringen muss. Ebenso wie in der externen Kommunikation kann man sich dabei am bekannten und bewährten AIDA-Schema – Attention, Interest, Desire und Action – orientieren. Dafür muss man konsequenterweise die Kommunikationsformate entsprechend kreativ gestalten. In diesem Punkt gleicht die interne Kommunikation also gut gemachter Werbung: sie muss fesseln und involvieren, um auf dieser Basis die Botschaften transportieren zu können. Mit anderen Worten: Kreativität als Mittel zum Zweck einsetzen.

Es heißt ja auch: Wenn Botschaften beim Adressaten nicht richtig ankommen, dann sind sie auch nicht richtig kommuniziert. Würden Sie dem zustimmen?

Auf jeden Fall. Hier kommt das Stichwort Relevanz ins Spiel. Es gibt Themen oder Begriffe, die für Führungskräfte wunderbar klingen, zum Beispiel „Innovation“. Ein Mitarbeiter überlegt jedoch, was Innovation am Ende des Tages für ihn persönlich bedeuten könnte: mehr Effizienz – schlankere Organisation – Abbau von Arbeitsplätzen. Damit ist Innovation für ihn erst mal eine Bedrohung. Man muss daher Inhalte relevant und verständlich aufbereiten und dafür auch „übersetzen“ – damit alle sie verstehen und mittragen. Also eigenverantwortlich agieren. Daran muss man nachhaltig arbeiten. Also muss die interne Kommunikation auch langfristig geplant und alle Formate stringent umgesetzt werden.

Botschaften müssen so aufbereitet werden, dass sie für alle Mitarbeiter/innen relevant
und verständlich sind (© Yerson Retamal/pixabay)

Müssen die gleichen Botschaften dann jedes Mal unterschiedlich formuliert werden?

Es sollte natürlich den Blick aufs Ganze geben, die großen Themen, die für alle relevant sind – die Zielsetzungen und damit verbundenen Aufgaben und Pläne des Unternehmens – und was jede und jeder einzelne dazu beitragen kann. Über diesen gemeinsamen Nenner hinaus sollte man sich aber fragen, welche Themen und damit verbundenen Botschaften für einen Werksarbeiter, für einen Vertriebsmitarbeiter oder für das Back-Office relevant sind. Es ist daher in der internen Kommunikation ebenso wie in der externen notwendig, Zielgruppen zu definieren und diese spezifisch zu bearbeiten. Deshalb spreche ich auch gerne von internem Marketing.

Sie haben ja intensiven Marketing-Hintergrund. Wie sind Sie zur Spezialdisziplin interne Kommunikation gekommen?

Begonnen hat dies während meiner Zeit bei der PKP (Anm.: heute BBDO), die auf Dialogmarketing spezialisiert war. Also darauf, Zielgruppen über direkte Ansprache und persönliche, relevante und dialogorientierte Kommunikation abzuholen. Letztlich auch die Knackpunkte für gut gemachte interne Kommunikation. Der Auslöser für mich war der seinerzeitige UNIQA-Markenlauch, bei dem ich als Projektleiter die mit dem Change verbundene interne Kommunikation, oder besser gesagt das Internal Branding, betreute. Es war ein forderndes und spannendes Projekt mit vielen Learnings und Erfahrungswerten, für das wir auch den Staatspreis Marketing erhalten haben. Für mich war es rückblickend ein Auslöser – es hat meine Leidenschaft für diesen Bereich geweckt.

Was genau war so faszinierend daran?

Es ist eine sehr beratungsintensive Disziplin. Internes Marketing – und insbesondere die Königsdisziplin Change-Kommunikation – ist ein Prozess, in dessen Verlauf sich immer wieder die Rahmenbedingungen ändern. Man muss während des Projekts also offen für Neues bleiben, Gegenwind meistern, flexibel agieren und immer wieder nachjustieren – aber dennoch die geplante Strategie konsequent weiterverfolgen. Das ist eine spannende Herausforderung.

Woran merkt man, dass man Unterstützung bei der internen Kommunikation braucht?

Mitarbeiterzufriedenheitsumfragen liefern dafür natürlich eine valide Basis. Man bemerkt Defizite aber oft auch schon an Basics, z. B. wenn interne Kommunikation primär auf Holschuld beruht. Denn es ist keine Lösung, alle wichtigen Informationen einfach ins Intranet zu stellen. Ein Unternehmen muss – eben wie bei persönlicher Kommunikation üblich – aktiv auf seine Mitarbeiter zugehen. Dafür braucht es eine Strategie, um kommunikatives Stückwerk zu vermeiden, und eine professionelle und stringente Umsetzung der einzelnen Kommunikationskanäle.

Was sind Auslöser, sich Unterstützung zu holen? Muss das immer gleich ein Krisen- oder Change-Anlass sein?

Überhaupt nicht. Eine Krise ist natürlich meist Anlass für kurzfristigen Bedarf. Es gibt aber sehr oft Auslöser und damit auch Chancen, um eine interne Kommunikationsoffensive zu starten. Ob Innovationsführerschaft, eine Serviceoffensive, ein neues Leitbild, ein neuer CEO mit neuen Zielen – letztlich müssen dafür immer die Mitarbeiter richtig abgeholt und mitgenommen werden. Und dafür darf man eben nicht nur informieren, sondern muss auch inspirieren und motivieren. Oder wie schon erläutert: eben die Beziehungsebene langfristig planen, kreativ gestalten und konsequent umsetzen.

Welche sind die drei häufigsten Probleme, an denen interne Kommunikation scheitert?

Erstens: Zu wenig involviert – das passiert, wenn es an Emotion und Inspiration mangelt. Zweitens: Zu wenig dialogorientiert – interne Kommunikation ist keine Einbahnstraße, sondern sollte die persönliche so gut wie möglich ersetzen. Drittens: Zu wenig verständlich – Inhalte müssen so aufbereitet sein, dass alle Mitarbeiter sie verstehen und auch als relevant empfinden.

Wie gehen Sie an solche Projekte heran?

Die Herangehensweise ist sehr ähnlich wie bei der externen Kommunikation. Man hinterfragt den Status quo und die Zielsetzungen des Projekts, aber auch die Auslöser und persönlichen Beweggründe. Danach werden vorhandene Maßnahmen und Kanäle analysiert und evaluiert. Auf Basis der Analyse werden eine Strategie samt Meilensteinen und ein Narrativ erarbeitet, dazu passend eine kreative Basisidee samt Symbolik und Motto – eben wie bei einer externen Kampagne. Erst dann werden die inhaltlichen und formalen Umsetzungen für die konkreten Formate und Kanäle in Angriff genommen. Dabei achten wir immer auf die sogenannte Anschlussfähigkeit, also im Sinne Effizienz und Ressourcen Vorhandenes zu nutzen und Bewährtes zu optimieren.

Es gibt ja mittlerweile unzählige Tools und Möglichkeiten, die interne Kommunikation zu erleichtern: Mitarbeiter-Apps, Intranet, Facebook-Gruppen usw. Muss es immer digital sein?

Digitale Kanäle eröffnen grundsätzlich immer Dialogmöglichkeiten. Man sollte dennoch aufpassen, dass nicht die gesamte interne Kommunikation in den digitalen Bereich verlagert wird. Wenn Mitarbeiter daran gewöhnt sind, dass man mit ihnen via Intranet und WhatsApp kommuniziert, könnte man für eine besondere Botschaft etwa einen persönlichen Brief vom CEO oder auch ein haptisches Erlebnis in Form eines 3D-Mailings einsetzen, eben im Sinne einer gezielten Systemintervention mit der Zielsetzung Involvement und Auseinandersetzung.

© Mike Renpening/pixabay

Das klingt kostenintensiv …

Je kleiner das Budget, desto wichtiger die Kreativität. Aber grundsätzlich stelle ich bei der Budgetdiskussion gerne die Gegenfrage: Wie viel ist Ihnen ein gut informierter, motivierter und loyaler Mitarbeiter wert? Die Antworten dabei fallen erfahrungsgemäß recht unterschiedlich aus. Die Lösung ist immer die gleiche: wenn man diesen Wert pro Mitarbeiter – und die damit verbundene Wertschätzung – auf die Gesamtzahl der Mitarbeiter hochrechnet, hat man das Budget für die geplante interne Kommunikation.

Gibt es auch hoffnungslose Fälle?

Interne Kommunikation kann scheitern, wenn man große Pläne macht, aber es dann einfach kein Commitment gibt – in finanzieller, aber auch in zeitlicher Hinsicht. Ob eine Marketingverantwortliche, ein Kommunikationsmanager oder die HR-Leitung: Wer immer interne Kommunikation verantwortet, muss sehr viel zusätzlich machen. Wenn dafür keine monetären und zeitlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, wird man nicht weit kommen.

Gibt es in Österreich Unternehmen, wo jemand rein für interne Kommunikation verantwortlich ist, wo sie nicht nur Beiwerk von Marketing oder HR ist?

In großen Unternehmen ist es durchaus üblich, dass innerhalb der Kommunikationsabteilung explizit ein Bereich für interne Kommunikation mit einem eigenen Verantwortlichen angesiedelt ist. Das ist ein wichtiger erster Schritt. Entscheidend ist dennoch, welche Bedeutung das Unternehmen diesen beimisst. Am Ende des Tages sollte interne Kommunikation Chefsache sein. Letztlich ist das auch der gemeinsame Nenner aller erfolgreichen Unternehmen, egal welche Größe oder welche Branche.

Covid-19 hat die Kommunikation nolens volens massiv in den digitalen Bereich verlagert. Hat die Krise Ihrer Erfahrung nach die interne Kommunikation auch anderweitig verändert?

Video-Konferenzen bieten ja die Möglichkeit zu zwar virtuellen, aber doch persönlichen Besprechungen. Daher konnten sich Manager, die schon zuvor erfolgreich intern kommuniziert hatten, mit regelmäßiger Präsenz, relevanten Informationen und klaren Ansagen in der Krise bewähren. Viele CEOs waren noch präsenter als in „normalen“ Zeiten, um den Mitarbeitern Orientierung, Sicherheit und Wertschätzung zu vermitteln. Wie man diese Präsenz institutionalisieren und die damit verbundenen Erfahrungswerte nutzen kann, sollte man sich in der künftigen internen Kommunikationsstrategie überlegen.

Welche wichtigste Empfehlung haben Sie für gelungene interne Kommunikation?

Bevor man loslegt, das Commitment seitens des Managements sicherstellen – stehen Marketing, Kommunikation und HR dahinter? Ist die Bereitschaft und auch der Mut gegeben, Dinge anders zu machen und auch Neues zuzulassen? Oder mit anderen Worten ein etwas frei übersetztes Zitat von Antoine de Saint-Exupéry: Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann gib der Mannschaft nicht nur Werkzeug und Holz, sondern auch die Sehnsucht nach dem weiten Meer.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Mag. Helmut Stögerer startete nach Abschluss des WU-Studiums seine Laufbahn in der Kommunikationsberatung bei Skills. Danach war er zehn Jahre als Geschäftsführer und Partner für den Erfolg und die Entwicklung von PKP BBDO zu einer der erfolgreichsten integrierten Kommunikationsagenturen Österreichs mitverantwortlich, bevor er in die Unternehmensberatung mit Vertiefung der Expertise im Bereich Identity- und Change-Management als Managing Partner bei Accelor Consulting wechselte. 2010 Engagement bei Ketchum Publico für das Turn Around Management der Agentur im Zuge der Integration in das Ketchum-Network. 2012 wechselte er zu Loys Repositioning mit Fokus auf Re-Positionierungs- und Internal Branding-Projekte. 2017 stieg Stögerer bei The Skills Group als Gesellschafter und Senior Partner ein. Persönliche Referenzprojekte im Bereich Interne Kommunikation (u. a.): UNIQA, Wr. Städtische/VIG-Group, A1 Telekom Austria, OMV, AGES, Hewlett Packard, Wienstrom, Wiener Linien, Voith. Um die Kommunikationsdisziplin Interne Kommunikation in Österreich weiter zu professionalisieren, ist Stögerer auch Vortragender, u. a. an der Donau Uni Krems, FH St. Pölten, Uni Wien.