Die Wahlbeteiligung bei demokratischen Wahlen bringt viel Analysestoff mit sich. Seit 1999 befindet sich die Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen immer zwischen ca. 75 und 85 Prozent. Bei der letzten Nationalratswahl 2019 waren knapp 6,4 Millionen Menschen wahlberechtigt, davon gaben 4,8 Millionen Bürger:innen ihre Stimme ab, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 75,6 Prozent. Von 44 europäischen Ländern landete Österreich damit im Ranking auf Platz 13 im Vergleich der letzten Parlamentswahlen. Österreich lag somit im vorderen Drittel. Dennoch machten damals rund 1,6 Millionen Österreicher:innen nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch.
Bei der diesjährigen Nationalratswahl, am 29. September, werden über 6,3 Millionen Österreicher:innen wahlberechtigt sein. Ob sie ihr Recht auf Mitbestimmung nutzen, können sie frei entscheiden. Trotzdem hat auch das Nicht-Wählen eine gewisse Auswirkung auf das Ergebnis oder besser gesagt auf die Mandatsverteilung. Beispielsweise kann eine Partei, die ihre Stimmenanzahl gegenüber der letzten Wahl halten kann, bei geringerer Wahlbeteiligung mit der gleichen Stimmenanzahl sogar mehr Mandate erhalten. Das geht dann, wenn sich aus der Gesamtzahl der gültigen Stimmen das entsprechende Verhältnis ergibt.
Fiktiv 46 leere Sitze im Nationalrat für Nichtwähler:innen
1,6 Mio. Nichtwähler:innen bei 6,4 Mio. Wahlberechtigten bei der Nationalratswahl 2019 stellen etwa ein Viertel der möglichen Stimmen dar. Der Nationalrat besteht aus 183 Abgeordneten. Im Verhältniswahlrecht zählt für die Vergabe der 183 Mandate alleinig die Anzahl der abgegebenen, gültigen Stimmen. Diese werden im Verhältnis – über die Wahllisten – auf die 183 Sitze „aufgeteilt“. Würde man nun am Beispiel 2019 der Gruppe der Nichtwähler:innen im Nationalrat fiktiverweise leere Plätze zuteilen, könnte daher ein Viertel der 183 Sitze – also fast 46 Stück – leer bleiben.
Christoph Konrath, Leiter der Abteilung Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit im Hohen Haus
Leichter Abwärtstrend bei der Wahlbeteiligung
Bei Nationalratswahlen in der Zweiten Republik sinkt die Wahlbeteiligung historisch betrachtet leicht. Während 1949 die Wahlbeteiligung bei über 96 Prozent lag und in den 1980er-Jahren bei über 90 Prozent, machten ab den 2000er-Jahren nur mehr zwischen 75 und 85 Prozent von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Zu vermerken ist dabei, dass es früher in manchen Bundesländern Verpflichtungen, bei der Nationalratswahl zu wählen, gab. Diese wurden aber allesamt spätestens bis 1992 aufgehoben.
Neben dem leichten Abwärtstrend der Wahlbeteiligung, zeigt sich zudem, dass sich die Zahl der Wahlberechtigten seit 2008 kaum verändert und zwischen 2017 und 2019 leicht gesunken ist. Die Zahl der Nichtwahlberechtigten ist also angestiegen.
Wahlbeteiligung von mehreren Faktoren beeinflusst
Ob Wahlberechtigte ihr Wahlrecht nutzen, hängt laut einem Fachdossier des Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Diensts der Parlamentsdirektion von mehreren Einflüssen ab. Vor allem sozioökonomische bzw. demographische Variablen und das jeweilige Wahlsystem gehören zu den Faktoren. Auch Ressourcen wie Zeit, Geld, Bildung und Wissen, die für eine Entscheidungsfindung und den Wahlvorgang wichtig sind, beeinflussen die Wahlbeteiligung. Zudem sind auch private sowie berufliche Netzwerke, politisches Interesse und Motivation relevant.
MW