Die Preise in Österreich steigen stärker als anderswo. Mit einer Inflationsrate von 9,8 Prozent sind hierzulande die höchsten Teuerungen in Westeuropa zu verzeichnen. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) lud deswegen Montagvormittag zum sogenannten „Lebensmittelgipfel“ ein. Mit über 40 Gästen aus Branchenvertretung, Politik und Sozialparterschafft wurde zwei Stunden lang über mögliche Maßnahmen diskutiert, die gerade in Bezug auf die stark angestiegenen Lebensmittelpreise Abhilfe schaffen sollen. Ergebnisse gibt es jedoch wenige, dafür umso drastischere Reaktionen.
Stimmen im Vorfeld
Schon bevor die Gipfelteilnehmer zusammentraten, standen Vorschläge im Raum, mit denen das Leben in Österreich wieder leistbarer gestaltet werden soll. Mit Maßnahmen, wie einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder einem Preisdeckel für wichtige Grundnahrungsmittel war allerdings nicht zu rechnen. Andere Forderungen befassten sich etwa mit Warenkörben und Preisdatenbanken, um mehr Transparenz zu schaffen. VP-Finanzminister Brunner schlägt unterdessen ein Modell nach französischem Vorbild vor: Hierbei sollen sich die Lebensmittelhändler darauf einigen, die Preise für ein Quartal nicht anzuheben.
Die Vertreter des Handels weisen im Vorfeld des Gipfels jede Schuld für die Teuerungen von sich. Die hohen Preise werden von Energie, Miete und Steuern getrieben, sind sich Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will und WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik einig. Will sieht in der ZiB2 keinen Eingriff in den Markt notwendig. „Der Wettbewerb ist perfekt“, betont er.
Praktisch keine Ergebnisse
Nach knapp zwei Stunden trat man vor die Presse, um die Ergebnisse des Gipfels zu präsentieren. Die Vertreter dürften sich einig geworden sein: Was her muss ist mehr Transparenz bei den Lebensmittelpreisen. So sprach Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) davon, dass die Erzeugerpreise in der Landwirtschafft zwar sinken würden, man davon aber wenig „an der Supermarktkasse“ merke.
Hier zieht der Handelsverband auch teilweise mit. Man will nun die 20 bis 30 günstigsten Eigenmarkenprodukte auf den eigenen Webseiten vorstellen. Weiters will man in Transparenz investieren. Wie das konkret aussieht, bleibt allerdings offen. Auch Maßnahmen seitens der Regierung bleiben aus.
Scharfe Kritik der Arbeiterkammer
Kritik am Fehlen konkreter Ergebnisse kommt aus der Arbeiterkammer (AK). In einer Presseaussendung Montagmittag ist man hier der Meinung, die Regierung lasse die Bevölkerung im Regen stehen. Die Inflation sei in EU-Mitgliedsstaaten, welche aktiv in den Markt eingegriffen haben deutlich niedriger. Konkret sagt der AK Bereichsleiter Wirtschaft Tobias Schweitzer: „Die Teuerung belastet die Bevölkerung in Österreich immer stärker und macht das Leben für viele Menschen unleistbar. Die Regierung schaut weiter tatenlos zu und appelliert an Unternehmen, anstatt einzugreifen. Dabei wir immer klarer: Die Preiskrise geht mit massiven Übergewinnen einher: Viele Unternehmen erhöhen ihre Preise deutlich mehr, als es die gestiegenen Kosten rechtfertigen würden. Ist das wirklich der freie Markt, den es zu schützen gilt?“.
Misstrauensantrag der SPÖ
Auch politische Folgen bringt Rauchs Lebensmittelgipfel mit sich. Pamela Rendi-Wagner, Bundesparteivorsitzende der SPÖ, kündigt an, noch diese Woche einen Misstrauensantrag gegen die Regierung in einer Sondersitzung des Parlaments einzubringen. Auf Twitter schreibt sie: „Höchste Teuerungen in Westeuropa. 500.000 Menschen in Österreich können sich kein warmes Essen leisten. Wieder ein Regierungsgipfel ohne Ergebnisse. Türkis-Grün ist gescheitert. Wir werden dieser Bundesregierung das Misstrauen aussprechen.“
Dass der Misstrauensantrag durchgeht, ist allerdings höchst unwahrscheinlich. Die Regierungsparteien ÖVP und Grüne halten derzeit 97 der 183 Sitze im Parlament. Eine Mehrheit würde daher Stimmen aus den eigenen Reihen benötigen.
Expertenrunde am Freitag
Arbeitsminister Kocher (ÖVP) lädt kommenden Freitag zur sogenannten „Expertenrunde“. Er setzte sich zuletzt für eine Preisdatenbank ein, die Kosten transparenter machen soll. Tatsächliche Eingriffe in den Markt lehnt er jedoch ab.
Ziel des kommenden Treffens ist es, erneut Maßnahmen zur Senkung der Lebensmittelpreise zu finden. Die Regierung möchte allerdings, möglicherweise unter Zugzwang gekommen, nicht so lange warten. Aus Koalitionskreisen heißt es, schon heute könnte ein neues Maßnahmenpaket im Ministerrat beschlossen werden. Dieses hätte auch Energiekosten im Fokus.
Spott aus dem Netz
Zu guter Letzt eine nicht ganz ernst gemeinte Wortmeldung: Auch die österreichische Satireplattform „Die Tagespresse“ befasste sich am Montag mit dem Gipfel. Sie lassen verkünden: „Durchbruch beim Lebensmittelgipfel. Jeder Österreicher erhält eine Kartoffel.“